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  • ruthkemna

Ein Minenoratorium in Lubumbashi, DR Kongo

Aktualisiert: 2. Apr.

Lubumbashi, Februar 2020


Von Berlin nach Addis Abeba. Warten im Morgengrauen. Draußen diesige Bergpanoramen und Fensterausschnitte von Stacheldraht und Stadt. Die Läden sind gerade geöffnet, Fußwaschplätze, „Female Prayers Room“ und „Male Prayers Room“, Kaffee trinken im „London Cafe“.

Wir sind auf dem Weg, unser „postdramatisches Minenoratorium“ „Hercules de Lubumbashi“ an seinen Ursprungsort zu bringen. Wir - das ist eine internationale Gruppe von Musiker:innen und Performer:innen, die unter der Leitung von Dorine Mokha und Elia Rediger im Sommer 2019 in Berlin dieses Stück entwickelten, in dem sich die Melodien von G. F. Händels Oratorium „Herkules“ mit neuen und alten, improvisierten und einstudierten, kongolesischen und deutschen Liedern mischen, um sich mit der grenzenlosen Ausbeutung kongolesischer Minenarbeiter zu beschäftigen und dem kolonialgeschichtlichen Ursprung solcher Systeme auf den Grund gehen.

In Lubumbashi. Chaos. Angst, die Fragen der Grenzbeamten alleine nicht beantworten zu können, Gelbfieberprüfung, sich ans einzige ratternde Gepäckband und mit den zu vielen, sehr wichtigen Menschen kämpfend, die einem mit der Abnahme des Gepäcks ungefragt fordernd behilflich sein wollen, endlich seinen Weg zum Ausgang finden.

Draußen ist es warm und sonnig, ein kleiner Bus mit chinesischen Schriftzeichen und bunten Kinderzeichnungen erwartet uns und wird für den Rest des Projekts, trotz klemmender Tür und luftloser Reifen, unser geschätztes Fortbewegungsmittel bleiben. Alle hängen sich aus den geöffneten Schiebefenstern, der warme Wind wirbelt den roten Staub und den Krach der Straßen durcheinander, wir singen Liedfetzen aus unserem Stück und beobachten fasziniert die uns so fremden Straßenszenen voller geschäftiger Menschen und zerbeulten Autos. Im Hotel beziehen wir unsere, nach dem Chaos der Straßen, überraschend schönen Zimmer und essen auf der Terrasse unser erstes kongolesisches Essen.

Nur wenige Minuten vom Hotel, befindet sich das centre d’arts Lubumbashi - „WAZA“, es wird, neben der Hotelterasse, zu unserem Hauptaufenthaltsort werden. Kojack Kossakamvwe, unser Gitarrist, nimmt uns mit die breite Straße hinauf zu einem Einkaufszentrum, um uns mit SIM Karten auszustatten und uns einen ersten Eindruck dieser kongolesischen Minenstadt zu geben. Es ist seltsam, unter den neugierigen Blicken weiterzugehen. Ich fühle mich falsch, so weiß und hell zwischen den die Straße bevölkernden Menschen, den Motorrädern und herumsitzenden, starrenden Männern. Später gehen wir durch die warme Nacht zu Josefs kleinem Restaurant und essen unter durchdrehenden Ventilatoren gegrilltes Hähnchen, Kartoffeln und Bohnen mit Mayonnaise.

Im WAZA sitzen wir meist unter einem Blechdach, durch das ein riesiger Baum wächst und um dessen moosigen Stamm herum wir unsere kleine Bühne aufbauen. Bald klingt Händels Musik zwischen Mauern, an der staubigen Straße entlang Richtung Zentrum. Unglauben und Freude spiegeln sich nicht nur in den Gesichtern der Zuhörenden im Garten - auch wir Spielenden mögen es kaum glauben, dass wir tatsächlich dieses Konstrukt aus so vielen Ideen, so viel Arbeit, Proben und Diskussionen bis nach Lubumbashi gebracht haben.

In einem Workshop mit Musiker:innen und Tänzer:innen aus Lubumbashi und uns versuchen wir gemeinsam ein neues Lied zu schreiben als Botschaft an Glencore, an seine Kompagnons und die, die ein System mittragen, in dem Gewinnmaximierung auf Kosten von Menschenleben zum guten Ton gehört. Es entsteht ein buntes Gemisch, in dem wir „klassischen Musiker:innen“ uns in die Ausstellungsräume des WAZA zurückziehen und überlegen, welches Stück wir in unserer ungewöhnlichen Besetzung in kürzester Zeit erproben und dann den anderen kongolesischen Musiker:innen beibringen können. Es ist interessant, was da zustande kommt. Wir entschließen uns für eine von Robert Schumanns Märchenerzählungen, den Anfang des Andantes von Franz Schuberts Rosamunde Quartett und einen improvisierten Mittelteil. Am späten Nachmittag zeigen wir uns alles und bringen uns gegenseitig unsere Musik bei. Es ist, wie auch schon bei den ersten Proben zu unserem Stück in Berlin letzten Sommer, eine Herausforderung für uns, alles nur nach Gehör zu lernen, vor allem die Rhythmen deren, von uns ersehnte Einteilbarkeit in 3/4 oder 4/4 Takte, Kojack Kossakamvwe, Merveil Mukadi und Huguette Tolinga unerheblich erscheinen und einmal mehr verdeutlichen, wie sehr man oft die eigenen Ansichten als universal gültige Tatsachen ansieht. Auch das Geben eines „Einsatzes“ wird von vielen von uns nun mit anderen Augen betrachtet und sorgt manchmal für mehr Verwirrung als Klarheit und meist für allgemeine Belustigung. Überhaupt stehen so viele unserer Rituale der europäischen Musik auf dem Prüfstand. Die für uns schon fast fremdgewordene Sehnsucht der kongolesischen Musiker:innen, die harmonischen Strukturen westlicher, komponierter Musik zu erkunden, trifft auf unsere Faszination für das freie Improvisieren, den Versuch, die hochkomplexen Rhythmen zu verstehen und zuzulassen, dass es einen Ausdruck für Trauer, Angst oder Wut gibt, der in unseren Ohren vordergründig nach fröhlicher, ekstatischer Musik klingt.

Was soll ich mit meinem Bratschenspiel dann hier machen? Es hat für mich auf einmal so wenig Bedeutung: die wöchentlichen Konzerte der Saison, die immer gleichen Stücke. Und ich komme hierher und es bleibt erst einmal so wenig. Das ist vielleicht die Essenz, die Technik, ein paar Melodien, eine Idee über die Strukturen der Musikstücke, die vor 100en von Jahren geschrieben wurden, auch Ideen für neue Geräusche.. und dann? Was mache ich damit? Ich kann es hierher bringen, zeigen und schauen, was dann bleibt. Man bringt das, was man bei uns im kleinen Safe Space gelernt hat, die Bilder in unseren Köpfen, die Gewohnheiten hierher, verknüpft die kobalthaltigen Annehmlichkeiten mit ihrem schmutzigen Ursprung, spürt, was für eine Macht man hat, was für Energien man freisetzen kann damit und dann nutzt man vielleicht diesen Überraschungsmoment.

Was jenseits der Proben und Stadterkundungen alles vonstatten ging, muss eigentlich Sylvain Faye, unser multitalentierter Bühnentechniker erzählen. Wie alles neu gebaut werden musste, blaue Kobaltsteine aus einer Süddeutschen Zeitung und Styropor entstanden, eine Leinwand aus Baumwolltuch und Holzleisten, Notenständer aus der ganzen Stadt zusammengeliehen, Stühle.. und das Zusammenlöten, Reparieren, Neu- finden jahrzehntealter Kabel, die für Licht und Ton sorgen sollen in dem „Bâtiment du 30 juin“, dem Saal in dem unsere Aufführungen stattfinden sollen.

Wir besuchen ein winziges Dorf - mehr eine Ansammlung von Lehmhütten außerhalb Lubumbashis. Dort malen Frauen mit selbsthergestellten Farben aus zerstampften Steinen, ein rot-schwarz-weißes Muster auf eine Wand einer alten Lehmhütte. Es ist schön zu wissen, dass dieses Geschenk unter unseren Blicken entstanden, dort nun bleibt, bis der Regen, die Zeit oder ein neues Bild es verschwinden lassen. Auf dem angrenzenden breiten Highway kämpfen sich Minibusse, uralte rostige Lastenfahrräder und in regelmäßigen Abständen riesige Trucks durch den roten Schlamm der Fahrbahn und immer wieder liegen völlig überladene und fahruntüchtig gewordene Fahrzeuge am Straßenrand. Seltsam ist es, all die hochbeladenen Lastwagen zu sehen, die die Schätze der kongolesischen Erde an den hungernden Kindern, den lastentragenden Menschen vorbei, außer Landes bringen.

Was tun wir hier? Globale Wirtschaft — Globale Kunst? Ja bestimmt, aber wie kann eine Kunst global sein? Bleibt sie nicht immer - und auch hoffentlich - verbunden mit ihren ganz persönlichen Wurzeln? Aber trotzdem muss man es versuchen, sich dem stellen, den Widersprüchen, die dann auftauchen, den Fragen nach Berechtigung und den Unterschieden. Man glaubt langsam etwas zu wissen über diesen Ort - doch umso länger man hier ist, umso weniger weiß man, weiß ich. Wer sind wir, die wir einfach hierhin fliegen, um ein Stück über Menschen in Lubumbashi zu machen? Wer sind wir, dass wir bewaffnet mit teuren Smartphones, die an uns vorbeifliegenden Straßenszenen festhalten, in zerfetzte Kleidung gehüllte Kinder fotografieren? Wie können wir uns jemals vorstellen, nicht zu

wissen, was morgen passiert, was passiert wenn du nur eine Erkältung bekommst und um dein Leben und das deiner Kinder bangen musst oder jeden Tag alle Sicherheiten verlieren könntest. So viele Schichten sind zwischen uns und diesen Abgründen. Oder stellen wir uns auch das nur so vor? Gibt es verschiedene Wahrnehmungen von Schmerz und Freude?

Sich selbst immer wieder in Situationen bringen, die man mit seinem bisherigen Wissen kaum begreifen kann. Ist das Reisen? Sind Musik, Tanz und Theater dann die einzig möglichen, oder die besten Möglichkeiten, um sich zu verständigen, auszutauschen, voneinander zu lernen, zu verändern, auf allen Ebenen?

Am Donnerstag besuchen wir die Minen der Firma "Chemaf". Nach einer kurzen Einführung in einem Sitzungsraum, werden wir mit Schutzkleidung und Helmen ausgestattet in einen firmeneigenen Minibus verfrachtet und fahren durch schlammige Straßen, vorbei an ärmlichen Hütten und sandigen Plätzen zum Minengelände. Große Zäune riegeln das Gebiet ab, die langen Fahrten, vorbei an überwucherten Bahnlinien, riesigen Brachflächen und verrosteten alten Förder- und Transportgeräten erinnern mich an irgendeinen Tarkowski Film. Die Schönheit der verlassenen Minen ist verstörend. Türkises Wasser füllt den Grund, die Abbruchkanten zeigen Erdschichten in allen erdenklichen Brauntönen, schwarze Steinadern ziehen sich durch rotes Sandgestein. Alle sammeln eifrig kleine grüne Kupfer- und Malachitstückchen. Die Begehung der chemischen Anlagen offenbart den immensen Aufwand, die komplexen technischen Voraussetzungen und den enormen Verbrauch an Chemikalien, die nötig sind, um diese Rohstoffe zu fördern. Ich spreche mit einem der Wachmänner, die unsere kleine Tour begleiten, und erfahre aber auch etwas über das Glück, das es bedeutet, hier eine gesicherte Arbeitsstelle zu haben, in einem geregelten Arbeitsablauf seinen Platz zu haben, genug Geld zu verdienen, um die Familie zu versorgen. Es ist schwer als weiße wohlsituierte Musikerin, ihm gegenüber auf der - in unseren Augen - moralischen Fragwürdigkeit dieser Minenfabriksysteme zu beharren.

Am Abend gehen wir feiern. Dorine führt uns zum „Crystal Palace“. Eben noch ist man den Pfützen im Schlamm der Straße ausgewichen, beobachtete die Frauen, die die riesigen obstgefüllten Körbe auf ihren Köpfen balancieren, sprang vor den hupenden Taxis und Motos auf die Seite und wehrte die bittenden Hände der Straßenkinder ab, dann umfängt uns die eisige Kühle eines Raumes, der an das Innere einer gigantischen Discokugel erinnert. Alles ist verspiegelt und gespickt mit Strass, die 90er Jahre wummern. An unserem Platz hüllt uns ein Kellner in eine Wolke aus Raumduft und nimmt unsere Bestellung für die horrend teuren Simba Biere auf. Geblendet und ein wenig sprachlos ob dieser Gegensätze entern wir unter den ausdruckslosen Blicken der Kellner und der drei anderen Gäste nach und nach die Tanzflächen.

Die Proben, meist am Abend, sind oft mehr ein Kampf gegen die widrigen Umstände. Das Licht unter dem Baum ist dürftig, die Plastikgartenstühle rutschen auf den nassen und schlammigen Holzplatten hin und her, es ist schwer, alles zu verstehen, wenn die elektrischen Instrumente mit den dagegen nur dürftig verstärkten Streichinstrumenten zusammenklingen sollen. Zudem vereitelt der im hinteren Bereich des Gartens laut ratternde Stromgenerator alle Versuche, musikalische Feinheiten zu proben. Immer wieder bricht die Stromversorgung zusammen und wir sitzen im Dunklen, Wasser tropft von den Ästen des Baums. Doch irgendwie überwiegt trotz allem ein froher Optimismus und das Glück, es überhaupt bis hier her, in diesen Garten geschafft zu haben. Die Freude und das Staunen über die uns so fremde Art, proben und leben zu müssen und zu können, lässt alles andere unwichtiger werden. Der Rauch des Kochfeuers unserer Köchin Laititia Mukanya zieht zu uns herüber. Wie jeden Abend gibt es Fufu, die runden Maisbällchen, die man mit den Fingern zu kleinen Kugeln rollt, Fisch, manchmal Fleisch, gekochte Maniokblätter, Reis, alles mit der, tagsüber in einem Holzbottich zerstampften Chillipaste gewürzt. Laititia und Joseph Busangu, ein Freund der dabei steht, arbeiten schon seit vielen Jahren hier. Sie sagen, die Probleme, die die Ausbeutung der Minen hier im südlichen Kongo mit sich bringt, sind altbekannt. Für sie klinge die Musik, die wir machen, wie im Fernsehen, die Streichinstrumente, die Harmonien.. und ja, für sie ist die Musik und Kunst eine gute, oder die derzeit fast einzige Möglichkeit, um auch politisch auf etwas aufmerksam zu machen, zu sprechen.

Die Proben im Batiment - einem Gebäude, das in den 50er Jahren als Theater erbaut, dann aber im Zuge von Mobutus Nationalpolitik zum Parlament wurde und nun noch immer dem Provinzparlament Katangas als Sitz dient - sind geprägt von organisatorischen und technischen Problemen. Die zusammengewürfelte Kollektion aus Mikrofonen, die uralten Kabel und Scheinwerferkonstruktionen, die schwüle Hitze, die im Raum steht, die sprachlichen Verständnisprobleme, unsere, von Malaria-Profilaxe- Medikamenten und fremdem Essen mitgenommenen Körper machen es schwer, sich auf die Musik und die Texte zu konzentrieren. Trotzdem schaffen wir Durchläufe des Stücks, das sich bis auf die teilweise ins Französische übersetzte Version der Texte und die Live- Mitwirkung des Chores, der in Europa nur per Video mitsang, bewusst nicht geändert oder an die neue Situation angepasst hat. Das Gebäude ist ein seltsamer Hybrid aus dem durchaus stattlichen Theatersaal, einem etwas verwilderten, arkadengeschmückten Innenhof samt Garten und den winzigen Büros, in denen vermutlich Angestellte der Regierung ihrer Arbeit nachgehen, im vorderen Bereich. Es hat etwas Melancholisches, diesen alten Chic, die verzierten Treppen, die Säulen unter dem Staub, die zerbrochenen Stühle, neben den nicht funktionierenden Toiletten, ausgetrockneten Brunnen und wackligen Scheinwerfern zu sehen.

In der Nacht habe ich einen Albtraum, ich bin allein in einer dunklen Straße, ein Obdachloser kommt hinter einer Mauer hervor, will mein Geld und das Handy, das er in meiner Hand sieht, ich renne und schreie, doch werde ihn nicht los, seine Hände greifen unaufhörlich nach mir, auch als ich eine alte Frau finde und mich hinter ihr verstecke. Schweißgebadet wache ich auf und denke über den vergangenen Tag nach. All die Männer, die mich anstarren, die mich anfassen, auf meine Arme klatschen. Ich lache dann immer nur. „Musungu“, „Musungu“ Rufe begleiten jeden meiner Schritte.

Gestern war ich so glücklich - dieses Gefühl, das mich vollkommen ausfüllt und so richtig spürbar ist, fast wehtut in der Brust - als ich mit Merveil Mukadi, unserem Bassisten und einem Fahrer, zu dritt auf ein kleines Moto gequetscht durch die Straßen fuhr, durch Schlaglöcher und Pfützen, den Fahrtwind und den Staub, den die unzähligen Minibusse, Trucks, Motorräder und Jeeps aufwirbeln, im Gesicht spürte und das Gefühl hatte, wirklich ganz da zu sein an diesem völlig fremden Ort. In einer kleinen Gruppe fahren wir zum Markt. Enge kleine Holzstände stehen dicht an dicht, in ihnen schlafen, verkaufen, essen, kochen, leben unzählige Menschen. Es gibt alles. Viel Kleidung, die aus europäischen Altkleider-Containern zu stammen scheint, viele Schuhe, Hühner in Käfigen, Fisch, mir unbekanntes Gemüse, Körner, lebende Ziegen, Mehl, Kohle. Wir bahnen uns den Weg, immer dicht hinter Merveil auf rutschigen roten Erdpfaden, manchmal liegen Holzplanken über offenen Kanälen durch die schmutziges Wasser strömt. Wir kaufen Stoffe. Nach langen und komplizierten Verhandlungen fahren wir mit den Moto-Taxis zurück zum Hotel und dann zu Merveils Mutter in einen anderen Teil der Stadt. Anscheinend ist es absolut unüblich, dass weiße Menschen sich auf diese unsicheren Motos quetschen und sich den Gefahren und Blicken, die das mit sich bringt, aussetzen. Das Viertel, in das wir kommen, hat einen ländlicheren Charakter, die Straßen, die aufgrund der riesigen Schlammlöcher nahezu unpassierbar scheinen, sind gesäumt von kleinen Häusern und Läden, am Rand warten Motos, überall eilen Menschen. Wir erreichen einen wunderschönen Hof.Von drei Seiten ist er mit niedrigen Häusern bebaut, in der Mitte werfen zwei riesige alte Avocadobäume ihre Schatten auf die Wäscheleinen und Blumenbeete und weiter hinten bilden Mangobäume schützende Lauben. Am Eingang ist ein ca. 2 m2 großer Kiosk aus dem allgegenwärtigen roten Lehm errichtet, in ihm verkauft die Tante, die nicht mehr gehen kann, kleine Packungen mit Keksen und Erdnüsse, daneben befinden sich das kleine Internet Café und der Copy Shop von Merveil's Bruder. Wir begrüßen alle, setzen uns auf die Gartenstühle, trinken Simba Bier, essen Erdnüsse und singen.

Konzert: Fast eine Stunde später nach offiziellem Beginn, ist der Saal unter unseren erwartungsfrohen und gespannten Blicken durch die Stoffbahnen der riesigen Flagge der DRC, die den gesamten Bühnenraum auskleidet, einigermaßen gefüllt.In den Saaltüren stehen die Polizisten des Gebäudes mit Maschinenpistolen, Menschen in schicken bunten Kleidern und Anzügen sitzen fächerwedelnd in den Reihen, der Chor wartet in seinen blauen Pullovern auf dem oberen Rang. Nach der Ouvertüre und dem ersten Lied spüren wir, dass unser Stück die Menschen erreicht. Spontane Zwischenrufe begleiten von da an die Monologe und Dialoge Elias und Dorines, bei den Liedern wird immer freier mitgesungen und Jubel kommt auf bei bekannten Melodien. Wo in Europa manchen die Tränen in die Augen stiegen, begleiten hier Lachen und ironische Ausrufe die Interviews der Minenarbeiter, die von den Zuständen in den Minen und zahlreichen Unfällen und Schießereien berichten.

Dieses natürliche Teilnehmen am Bühnengeschehen ist etwas unsagbar Mitreißendes für uns. Am Ende jubeln alle! Die Bühne ist heillos überfüllt mit dem 50-köpfigen Chor und unserem Ensemble. Der aus Deutschland und der Schweiz gewohnte lange Applaus bleibt aus, einfach weil man ja vielleicht hier zusammen etwas aufgeführt hat, gemeinsam einen ganzen Raum wieder zur Bühne, zum Theater gemacht hat.

Wir feiern. Zunächst im Bus, dann auf einer Lodge etwas außerhalb der Stadt, danach in einem Club: ein etwas schiefes Holzhaus auf einer sandigen Fläche, davor riesige Feuerschalen und eine soeben geschlachtete ganze Ziege über einem Grill, von der oberen Balustrade neben der Tanzfläche kann man zusehen, wie sie im Laufe des Abends nach und nach verschwindet.




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